Kleine (und große) Kämpfer
von Border am 04.07.16 um 23:33
Antwort auf: Dinge die herrschen! von henni

Im Oktober 2015 erfuhren wir, dass unsere Bemühungen belohnt wurden: meine Frau war schwanger.

Bereits nach wenigen Wochen wurde allerdings eine Risikoschwangerschaft daraus. Schlechte Werte, alle  paar Tage zu Kontrollen in die örtliche Kinderklinik, ständiges Bangen um das Wohl von Mutter und Embryo. In der 32. Woche kam meine Frau stationär ins Krankenhaus, da eine akute Gefahr bzgl. einer Fehlgeburt aufkam und darüber hinaus noch eine Präeklampsie* samt HELLP-Syndrom* auftraten. Also bei der werdenden Mutter schlimme Werte in allen relevanten Bereichen, dauerhafte Schmerzen, Kreislaufprobleme, Leber- und Nierenschmerzen und all das, was eben sonst so überhaupt keine Freude bringt. Der behandelnde Arzt sagte bei der Aufnahme: "Verabschieden Sie sich vom Gedanken, nach Hause zu fahren. MIT Kind im Bauch verlassen Sie uns nicht mehr."

Es war also klar, dass hier schlimmstenfalls 8 Wochen Krankenhaus anstanden.

Ab diesem Tag bedeutete das für meine Frau 3x am Tag 45 Minuten CTG, einmal am Tag Ultraschall, tägliche, erweiterte Visiten und Untersuchungen, Blutdruckmessungen mehrmals täglich, keine Bewegung... und etliches mehr. Von Woche zu Woche richteten wir ihr eine möglichst gute Struktur her. DVB-T Antenne mit Empfänger fürs iPad für die EM, SIM W-LAN Router für 4G Empfang/W-LAN im Zimmer, weil nur am Fenster halbwegs ein Signal zu bekommen war und die Betten in der anderen Richtung stehen (2 Bett Zimmer), eigene Bettsachen für möglichst bequeme Liegemöglichkeiten, Ablenkungs- und Beschäftigungsutensilien... das war irgendwann "ihr" Zimmer.

Naja... die Ärzte haben jedenfalls Tag für Tag gekämpft, dass das stark unterversorgte Kind (Plazenta-Insuffizienz) mindestens bis zur 37. Woche im Bauch bleibt. Die begann vergangenen Freitag. Es hatte sich die Hoffnung breit gemacht, mittels einer Einleitung eine reguläre Geburt herbeiführen zu können. Schon eine Stunde nach dem Wehen-Cocktail setzten die Wehen tatsächlich ein und von da an saßen wir 12 Stunden im Kreißsaal... schreiend, weinend, wieder schreiend... bis die Ärzte beschlossen, dass Kind und Mutter die Kraft nicht aufbringen können, regulär zu gebären. Als dann beim Versuch der örtlichen Betäubung zur Vorbereitung des Kaiserschnitts der Kreislauf versagte und der Herzschlag des Kindes ruckartig in den Keller ging, gab's binnen Sekunden eine Vollnarkose, Komplettverkabelung und binnen weiterer 10 Minuten (!!) war's so weit:

Unsere Tochter kam mit 1.600g und 45cm auf die Welt. Gestern Abend um 19:50 Uhr.

Meine Frau sieht noch aus wie dreimal gegessen und kann derzeit nur im Rollstuhl umhergefahren werden, aber es wird von Stunde zu Stunde besser. Die Kleine ist ein verdammt krasser Kämpfer. Innerhalb eines Tages atmet sie allein und ist komplett stabil. Es fehlt nur noch das Gewicht. Auf 2.000g muss sie kommen, dann darf sie die Säuglings-Intensivstation verlassen und in die Kinderklinik nach nebenan verlegt werden. Heute durfte meine Frau sie das erste Mal im Arm haben und zwischen all den Kabeln und Schläuchen durfte ich so in das (selbstverständlich weltallerschönste) Gesicht unserer Kleinen schauen.

Dinge, die herrschen: Frau und Tochter und all die Menschen, die wochenlang dafür gesorgt haben, dass all das nach den Monaten des Bangens doch noch möglich war.

Nach 40 Stunden mit 2-4 Stunden Zwischendurch-Schlaf penne ich jetzt durch bis Mittwoch! Aber geht ja nicht. Formulare, Anträge, Zustimmungen, Urkunden... los geht's! Morgen!

Ich musste das mal loswerden.





* Für Interessierte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Präeklampsie
HELLP-Syndrom: https://de.wikipedia.org/wiki/HELLP-Syndrom

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