Re:Crytek schon wieder in der Krise?
von Border am 15.12.16 um 10:13
Antwort auf: Re:Crytek schon wieder in der Krise? von Pascal Parvex


>So schlimm so etwas für die betroffenen Mitarbeiter auch wäre, immer noch besser als wenn Crytek dicht macht.

Das sagt sich so leicht. Natürlich wäre es gerade für den Standort Deutschland ein herber Verlust und es wäre besser, wenn sie fortbestünden. Allerdings ist es eine Sache, wenn Mitarbeiter nicht pünktlich bezahlt werden können - das kann passieren, das kann sich auch bessern. Ein anderes Ding und vor allem ein Unding ist es aber, wenn die Gerüchte stimmen, dass das Management kein Wort an die Belegschaft gerichtet hat. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit 1. kein Geld zu bekommen und 2. gar nicht zu wissen, was überhaupt abgeht und ob da überhaupt noch was kommt... das ist imho das Fatale. Außerdem öffentlichkeitswirksam diskutiert noch bevor überhaupt feststeht, ob an den Gerüchten etwas dran ist. Der Ruf hat schon mal 'nen Knacks - egal, wie das Ganze ausgeht.

Ich habe die Situation selbst zweimal erlebt. Einmal wurde in einer großen Belegschaftssitzung angekündigt, dass es dem Unternehmen schlecht geht und es wurde sehr genau erklärt, woran es liegt und welche finanziellen Einbußen alle hinnehmen müssen. Es wurde das Budget vorgestellt, das zur Verfügung steht. Dieses wurde auf alle aufgeteilt. Jeder sollte bezahlt werden, allerdings stark reduziert. Das Management hat die höchsten Verluste dabei gemacht - selbstbestimmt. Dazu wurde unbezahlter Urlaub angeboten, den einige Leute in der Verwaltung, die es sich finanziell erlauben konnten, auch genutzt haben. Andere wussten genau, dass jetzt sparen angesagt ist, weil die nächsten Monate die Löhne unpünktlich und um 30-60% reduziert kommen würden.
Das war bitter für alle, aber unterm Strich genau das Richtige. Es gab ein Wir-Gefühl, einen gemeinsamen Kampf um den Erfolg und nach ein paar Monaten ging's wieder bergauf. Die Firma gibt es heute noch und sie ist gut im Geschäft.

Beim anderen Mal ging's allen wie derzeit bei Crytek. Noch mal: wir kennen nur Gerüchte, also alles "vermutlich"...

Geld kam irgendwann nicht, Mieten mussten bezahlt werden, Einkäufe erledigt, Beiträge geleistet werden. Niemand wusste, warum es kein Geld gab. Unter 50 Mitarbeitern gab es 50 verschiedene Theorien, wo die Gründe liegen. Das Management war plötzlich nicht mehr zu sehen. Dauernd hieß es "Außentermin", "ganztägig im Meeting" oder "Geschäftsreise diese Woche". Die Stimmung in der gesamten Firma war auf dem Nullpunkt und plötzlich begannen auch noch Intrigen und Spinnereien die Runde zu machen. Vormals auch privat bekannte Kollegen begannen sich untereinander nicht mal mehr die Butter auf dem Brot zu gönnen. Ganz miese Situation. Einzig eine Person in der Buchhaltung war informiert. Natürlich das neue Feindbild aller anderen Mitarbeiter. Nachdem einige Mitarbeiter geflüchtet waren, weil der dritte Monat ohne Lohn (oder mit nur anteiliger Zahlung) durchlebt wurde, ging es dann mit Kündigungsgesprächen los. Unfassbar widerliche Gespräche voller Verständnis-Bettelei, Freundschafts-Heuchelei und Verschleierung der eigenen Unfähigkeit. Ich erinnere mich noch genau, als ich dran war und nur gesagt hab: "Ja, komm, gib her und spar dir den Scheiß." Das war mein letzter Tag dort. Die Firma gab's dann drei Monate später auch nicht mehr (erinnert sich jemand an meinen damaligen Beitrag "Geld verdienen mit Spielen?" - das, natürlich überspitzt, in etwa die Geschichte dazu). Der französische Mutterkonzern hatte diese Dinge gelenkt, wie ich später erfahren habe. Mitarbeiter zählten dabei nicht die Bohne.

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