Gestern gesehen. Und Vorgestern. (mögliche Spoiler!)
von Border am 17.12.19 um 10:53
Antwort auf: The Irishman von Matze

Meine Güte... 206 Minuten waren das, meine ich.

In den USA wurde er ja in ausgewählten Kinos ein paar Tage gezeigt, um ihn für die Oscars zu qualifizieren. Ob er da Chancen haben wird? Vielleicht für die besten Spezial-Effekte und das beste adaptierte Drehbuch?

Da er so lang ist, haben wir ihn uns auf zwei Abende aufgeteilt.

Zunächst muss ich sagen, dass das alte Scorsese- und Leone-Feeling sofort wieder da war. All die Frankies, Eddies, Jimmies und Tonies und diese wunderbare Einführung der Charaktere. Selbst Nebencharaktere blitzen herrlich skurril auf - und sei es nur als „Death Note“, was ein kleiner Running Gag des Films geworden ist.

Schauspielerisch gibt es vor allem in den nativen Szenen absolut nichts auszusetzen. Joe Pesci, für diesen Film nach etlichen Überredungsversuchen noch einmal aus der Rente zurückgekehrt, ist ein unfassbar guter Charakter zwischen Gönner, Freund und gnadenlosem Mafia-Boss. Natürlich verlangen es Buchvorlage und Drehbuch, dass Szenen aus der Vergangenheit (und das sind Jahrzehnte!) einen Großteil des Films ausmachen. Man hätte jetzt andere Schauspieler besetzen können, aber entschied sich dafür, mit Star-Wars-George (Industrial Light & Magic) die CGI-Fingerchen spielen zu lassen. Das klappt auf den ersten Blick richtig, richtig gut und sieht perfekt aus. Auf den zweiten Blick habe ich aber andauernd mehr Alec Baldwin und Robin Williams in Robert DeNiros CGI-Ich gesehen als Robert DeNiro. Das stiehlt DeNiro in meinen Augen ziemlich viel seiner darstellerischen Stärken. Und was sollte das mit den Augen? Sollte das Emotionslosigkeit und Kälte in seinem Blick unterstrichen? Der CGI-DeNiro ist jedenfalls mein einziger Kritikpunkt. Auch Al Pacino als selbstsicheren, arroganten und cholerischen Jimmy Hoffa fand ich großartig.

Für das gesamte Casting gehört dem/der Verantwortlichen jedenfalls ein separater Oscar für die wahrscheinlich größtmögliche Mafia-Film-Schauspieler-Liste überreicht (mit wenigen Ausnahmen in den Nebenrollen). Auswahl:

Robert DeNiro (u. a. Good Fellas, Es war einmal in Amerika, Der Pate II, Casino)
Al Pacino (u. a. Scarface, Der Pate I-III, Serpico, Carlito's Way, Heat, Donnie Brasco)
Joe Pesci (u. a. Es war einmal in Amerika, Good Fellas, Casino)
Ray Romano (u. a. Alle lieben Raymond - einfach perfekt für die Rolle)
Stephen Graham (u. a. der Al Capone aus Boardwalk Empire und in Snatch, Gangs of New York, Public Enemies, ...)
Domenick Lombardozzi (u. a. Ralph Capone in Boardwalk Empire, The Wire)
Jesse Plemons (u. a. Todd aus Breaking Bad, Black Mass, Barry Seal)
Aleksa Palladino (u. a. Boardwalk Empire)
Kathrine Narducci (u. a. Sopranos)
Louis Cancelmi (u. a. Boardwalk Empire)
Harvey Keitel (u. a. Pulp Fiction, Taxi Driver, Camorra, Get Shorty, Be Cool)
Bobby Cannavale (u. a. Boardwalk Empire)
Jack Huston  (u. a. Boardwalk Empire)
Bo Dietl (u. a. Boardwslk Empire, Good Fellas, Carlito's Way)
Für weniger als eine Minute zu sehen: Steven Van Zandt (u. a. Sil aus Sopranos, Lilyhammer)
Larry Romano (u. a. Donnie Brasco und Richie aus King of Queens)

Klar, man hätte den Film locker ein Stunde kürzer machen können. Es ist außerdem kein Epos wie Good Fellas oder gar der Pate. Was mir daran aber sehr gut gefällt, ist die absolute Nüchternheit, allem voran die Darstellung der Gewalt und der Taten generell. Hier wird nichts aufgebauscht oder dramatisiert - das Ganze geht einfach, schnell und skrupellos und auch von den Effekten her völlig unspektakulär. Keine riesigen Wummen, keine Basslastigen Schussfolgen... kleine Handfeuerwaffen (wird auch nett erklärt), dann kurz piff... paff... tot... fertig :D

Von mir gibt's solide 8,5/10 gestrichenen Häusern und es ist einer der Filme, die ich nicht nur einmal sehen werde.

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